Bonn
25. August bis 6. September 2015
Kunst- und Ausstellungshalle
der Bundesrepublik Deutschland
Die Bonner Kunsthalle ist schon architektonisch gesehen ein beeindruckender Ort. Tagsüber, wenn die Sonne sich zeigt, veranstalten die Betonstelen und -wände Schattenspiele. Passanten gehen über den knirschenden Kies. Sie erzeugen den akustischen Unterbau zu diesem Gebäudekomplex. Dieser Ort hat etwas Erhabenes. Fast schon elitär kommt er daher. Aber das wäre ein Vorurteil, denn schaut man sich genauer um, so findet man neben kunstvollen Gemälden und Skulpturen auch sozial- und politikkritische Kunst. Man findet offene Ohren. Interessierte und Menschen mit einer dezidierten Meinung. Man findet Groß und Klein. Und man findet, wenn auch nur vorübergehend, die Ausstellung VorBILDER, die alle Besucher im Foyer der Bundeskunsthalle empfängt. Sie steht hier öffentlich zugänglich und kostenlos zu betrachten. Als eine Art Appetizer bietet sie sich Besuchern, die ins Museum gehen, zur Schau. Und sie ist nicht schüchtern oder zurückhaltend. Sie fordert jeden Besucher auf, einen Blick auf die Schwarz-Weiß-Aufnahmen von Angelika und Bernd Kohlmeier zu werfen und sich die Zeit für das brisante Thema zu nehmen.
Die offizielle Eröffnung der Ausstellung findet einen Tag nach Aufbau der Installation im Forum der Bonner Kunsthalle statt. Schon das Programm verrät: es ist weit mehr als eine Ausstellungseröffnung, es geht auch um eine intensive Befassung mit einem der aktuellsten und drängendsten Themen: Bei dieser Veranstaltung kommen engagierte Personen zu Wort, die etwas Wichtiges zu dem Thema „Rechtsextremismus und Alltagsrassismus in Sport und Gesellschaft“ beizutragen haben. Rein Wolfs, Intendant der Bundeskunsthalle, zeigt sich bei seiner Begrüßung erfreut über die thematisch treffenden Fotografien von Angelika und Bernd Kohlmeier. Manchmal sähe die Kunst der Zukunft ein wenig voraus, sagt er und eröffnet damit einen diskussionsreichen Abend. Der Sport sei ein ganz großartiges Lernfeld für Respekt und Toleranz, betont der Oberbürgermeister der Bundesstadt Bonn Jürgen Nimptsch in seiner Ansprache. In zwei Diskussionsrunden werden die Gäste des Abends von dem Journalisten Ronny Blaschke durch die Themen geführt. Ronny Blaschke ist dafür genau der richtige Mann, denn das Thema ist sein Fachgebiet. Freundlich und zugewandt, aber in der Sache hartnäckig hakt er nach, bleibt jeder offenen Frage auf der Spur und ebnet durch sein fundiertes Wissen wichtigen Positionen den Weg.
Einer der Gäste ist der Youtuber Lars Paulsen. Er sei einer der sogenannten „Wissensyoutuber“, wie er selbst sagt. Auf seinem Youtube Kanal stehen aktuelle politische Themen im Vordergrund. In seinen Kurzfilmen hinterfragt, widerspricht und polarisiert er, verbindet Humor mit Ernsthaftigkeit und positioniert sich ganz klar. Auch gegen Rechts. An diesem Abend wird eines seiner vielen Videos gezeigt, das nicht neu, aber aktueller denn je ist. Lars Paulsen berichtet in 6 Minuten über 5 Rassismus-Skandale im Sport. Redegewandt und mit Ironie setzt er deutliche Zeichen: Rassismus im Sport ist widerlich, unsportlich und darf niemals schöngeredet oder verklärt werden. Lars Paulsen und sein Team bereichern die Youtube Landschaft, ihr Polit-Satire-Format hat Kultcharakter und kommt gerade auch bei jungen Menschen gut an.
Gerald Asamoah ist ebenfalls unter den Gästen. Auch er hätte in Lars Paulsens Video gepasst, denn auch er wurde mehrfach von Fans der gegnerischen Mannschaft attackiert. Auf dem Platz mit Affenlauten konfrontiert und mit Bananen beworfen zu werden, das sei hart für ihn gewesen. Der in Ghana geborene ehemalige Fußballnationalspieler hat es sich genau aus diesem Grund zur Aufgabe gemacht, gegen Rassismus anzukämpfen. Auch damit seinen Kindern so etwas nicht passiert. Und er hinterfragt das Vorbildverhalten von Profifußballern. Diese Männer hätten so unglaublich viel Einfluss, gerade auch auf junge Menschen. Er wünsche sich deshalb, dass populäre Fußballer deutlicher gegen Rassismus Stellung beziehen. Asamoah hat viel erlebt und gesehen. Er findet es unbegreiflich, dass ein Mensch von anderen Menschen allein aufgrund offenkundig anderer Herkunft vorverurteilt wird. Rassismus passiere im Alltag. „Meine Frau geht mit meinen Kindern auf die Kirmes und es kommt [der Spruch]: Für Schwarze gibt es hier nichts. Ich habe das Glück, dass die Leute mich erkennen, aber wie geht es meinen Mitmenschen, meinen schwarzen Freunden?“, sagt er.
Ähnliche Erfahrungen hat auch Martin Rietsch alias 2schneidig gemacht. Er berichtet von einem Schlüsselerlebnis, das er als kleiner, fußballbegeisterter Junge mit seinem damaligen Fußballtrainer hatte, der ihn aufgrund seiner Hautfarbe öffentlich verunglimpfte. Das Schlimmste seien jedoch die Eltern und Zuschauenden gewesen, die einfach wegschauten. Martin Rietsch hat sich die Bekämpfung von Rassismus zur Lebensaufgabe gemacht. Mit Erfolg. In zahlreichen Workshops in ganz Deutschland und darüber hinaus arbeitet er mit jungen Menschen. Er berichtet von seinen Erfahrungen, sensibilisiert sie für das Leid, das Rassismus seinen Opfern antut und bestärkt sie darin, aktiv gegen Diskriminierung einzutreten.
Der Vize-Präsident des 1. FC Köln Markus Ritterbach hat eine klare Position zum Thema Rechtsextremismus: „Ist Toleranz das richtige Wort? Eigentlich müsste unsere innere Einstellung sein: Je mehr unterschiedliche Menschen wir haben, egal, woher sie kommen, egal, welche Religion sie haben, egal, welche Hautfarbe sie haben, egal, was sie für eine sexuelle Neigung haben, egal! Je mehr unterschiedliche Menschen wir haben, desto besser ist es. Desto bunter ist der Blumenstrauß und bunte Blumensträuße sind schön.“
Coletta Mannemann, die Bonner Integrationsbeauftragte, sitzt auch auf dem Podium. Sie weiß ganz genau, was es noch alles zu tun gibt. Es gäbe Rassismus überall, auch in Bonn. Dagegen vorzugehen sei ein langer, zäher Prozess. Deshalb sei es auch so wichtig, dass Bürgerinnen und Bürger dem Alltagsrassismus entgegentreten und sich auch gegen vermeintlich kleine Spitzen und rassistische Bemerkungen zur Hautfarbe wehrten. Aber natürlich müsse auch der Staat, müssten die Verbände, die Einrichtungen tätig werden. Sie betont: „Was uns letztlich eint in dieser Frage in Bonn ist der Wille, dass wir Willkommenskultur leben möchten!“ Für die vielen Flüchtlinge, die im Raum Bonn untergekommen sind, eine gute Nachricht.
Auf die Frage, wie man Ehrenamtliche auf die Arbeit mit Flüchtlingen vorbereiten könne, sagt Carmen Martínez Valdés, Leiterin der Geschäftsstelle des Vereins Ausbildung statt Abschiebung – AsA e.V.: „Es ist erfreulich, wie viele Menschen sich engagieren!“ Auf der anderen Seite brauche Ehrenamt Struktur und einen Rahmen, in dem die Arbeit vor allem auch mit den Jugendlichen stattfinden könne. Infoabende von Vereinen unterstützten dabei, die ersten Kontakte herzustellen. Die ehrenamtliche Arbeit würde begleitet durch hauptamtliche Mitarbeiter. Fortbildungsangebote würden zusätzlich helfen, um im Sinne der jungen Menschen kanalisieren zu können.
Das musikalische Rahmenprogramm ist stimmig. Martin Rietsch bereichert den Abend mit seinen ebenso eingängigen wie zum Thema passenden Songs. Der Preisträger des Fair Play Preises 2014 wird dabei von Davina Herold auf der Geige begleitet.
Katja Brender vom Post-Sportverein Bonn 1926 e.V. erzählt von der Problematik, dass die Sportvereine nicht genügend ehrenamtliche Mitarbeiter hätten. Deshalb scheitere beispielsweise ein vorbereitetes Training schon einmal an den fehlenden Transportmöglichkeiten für Flüchtlinge.
Dieser Abend ist vielseitig und spannend. Ergänzt wird er durch den Auftritt eines VorBILDER-Paares, der dem Bundesvorstand der FDP angehörenden Gisela Piltz und des Tischtennisspielers Holger Nikelis. Die beiden erzählen von ihren Erlebnissen beim Fototermin: Zum Beispiel, dass es ziemlich kalt und windig war, was die Bedingungen für die ursprünglich geplante Tischtennislektion erschwert habe. Das Berliner Olympiastadionvor dem sie sich trafen, sei eine tolle Kulisse mit einem geschichtsträchtigen Hintergrund, so Holger Nikelis.
Für interessierte Bürgerinnen und Bürger bietet der Abend eine Plattform für Anlaufstellen zum Thema. Das finden auch die beiden Ausstellungsmacherinnen Marie-Luise Würtenberger vom Bundesministerium des Innern und Angelika Kohlmeier, die Fotografin, als sie gegen Ende der Veranstaltung auf der Bühne stehen, um den Kreis zur Ausstellung zu schließen. Es gilt: Begegnungen schaffen, um Vorurteile abzubauen. Ganz im Sinne der VorBILDER.