Rostock
20. bis 30. März 2017
Rathaus Rostock • Rathaushalle
Neuer Markt 1 • 18055 Rostock
Das Rostocker Rathaus erzählt wie kaum ein anderes Gebäude von der jahrhundertealten Historie der Hansestadt. Die gotische Schaufassade mit ihrem rosafarbenen Anstrich sticht aus der Häuserreihe hervor, vor allem wenn es so richtig schön pladdert, wie es manch' ein Norddeutscher zu sagen pflegt. Wie gut also, dass es auch am Montag, am Tag der Eröffnung der VorBILDER, in Strömen regnet. Das zentral gelegene Rathaus ist derzeit Ausstellungsort von Schwarz-Weiß-Porträts von Angelika und Bernd Kohlmeier.
Die Hansestadt setzt sich mit dem Zeigen der Ausstellung „VorBILDER – Sport und Politik vereint gegen Rechtsextremismus“ ganz gezielt für Vielfalt, Respekt und die Achtung der Menschenwürde ein. Anlässlich des ersten Präventionstages für Schülerinnen und Schüler der Hansestadt Rostock haben sich Petra Kieckhofer vom Polizeipräsidium Rostock und Marlen Schmidt, Koordinatorin des Kommunalen Präventionsrates, um die Ausstellung bemüht. Auch sie sind heute im Rathaus und zeigen sich begeistert über die positive Resonanz der Besucherinnen und Besucher. Viele beteiligen sich schon vor Beginn der Veranstaltung an den MeinungsBILDERN. Das mobile Fotostudio, das an jedem Eröffnungstag aufgebaut wird und den Menschen die Möglichkeit bietet, die eigene Meinung in Worte zu fassen, um sich gegen Rechtsextremismus zu positionieren, findet großen Zuspruch bei den Rostockern. Aber auch das didaktische Begleitmaterial der Ausstellung ist gefragt: Die Handreichung zur schulischen und außerschulischen Jugendarbeit weckt zusätzliches Interesse.
Angelika Kohlmeier, Fotografin und Macherin der Ausstellung, stellt das Konzept des Projektes vor. Dabei betont sie, wie wichtig es sei, miteinander zu sprechen, sich auf Augenhöhe zu begegnen und sich Zeit für das Thema zu nehmen. Die gesamte Ausstellung fuße auf diesem Prinzip. „Die Zeit spielte und spielt eine sehr wichtige Rolle, sowohl bei der Konzeption, als auch bei der Umsetzung und der Präsentation“, so die Künstlerin.
Die Veranstaltung ist gut besucht, die Sitzreihen sind voll besetzt. Wer keinen Platz mehr findet, sucht sich einen Stehplatz.
Die Stadt Rostock hat sich für die Moderation der Veranstaltung einen Fachmann ins Haus geholt: der Journalist und Buchautor Ronny Blaschke beschäftigt sich seit mehreren Jahren mit Gewalt, Rechtsextremismus und Menschenfeindlichkeit im Sport, aber auch in der gesamten Gesellschaft. Er leitet am heutigen Eröffnungstag die Podiumsdiskussion. Zu Gast ist auch Marianne Buggenhagen. Gemeinsam mit Wolfgang Thierse hat sie sich mit der Aussage „Ohne Angst anders sein“ für eines der Bilder in der Ausstellung klar positioniert. Für sie ist die Botschaft der VorBILDER eine Herzensangelegenheit, denn Rechtsextreme reduzierten sie auf ihre Behinderung, die sie an den Rollstuhl fesselt. Sie wurde bereits buchstäblich zur Zielscheibe von Neonazis. Gemeinsam mit ihrem Mann, Jörg Buggenhagen, der bei der Eröffnung auch zugegen ist, engagiert sie sich für ein tolerantes Miteinander in unserer Gesellschaft. Mit ihrer Projekttour „Miteinander leben – gemeinsam reden – Sport verbindet!“ spricht sie besonders Jugendliche an. Sie sollen für ein Leben mit Behinderung sensibilisiert werden. In Turnhallen können sie im Rollstuhl über einen Parcours fahren oder sich mit Brillen, die das Blindsein simulieren, von Freunden durch den Raum führen lassen. Eltern und Erwachsene sind ebenso herzlich eingeladen mitzumachen. Marianne und Jörg Buggenhagen schaffen damit Empathie und Verständnis, beantworten offene Fragen und helfen, Berührungsängste abzubauen.
Der mehrfachen Paralympics-Siegerin und Weltmeisterin geht es stets um die Sache. Mit so einer ideellen Einstellung den Kampf gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Intoleranz zu bestreiten ist anstrengend und nicht einfach. „Aber wir geben niemals auf“, sagt sie. „Wir sind schließlich Sportler.“
Auch ein Vertreter des Fußballs ist gekommen, Robert Marien, der Vorstandsvorsitzende des F.C. Hansa Rostock. Er macht deutlich: „Wir haben eine ganz klare Aufgabe. Sport ist kein politisch luftleerer Raum, deswegen muss man sich klar positionieren. Klar positionieren gegen Rechtsextremismus.“ Mit dabei sind auch Fußballspieler des Rostocker Vereins. Ronny Garbuschewski, Tobias Jänicke und Marcel Ziemer beteiligen sich an den MeinungsBILDERN und setzen damit auch ein wichtiges Zeichen für den Verein. „Fußball verbindet, Fußball vereint, Fußball schafft Toleranz“ steht da in großen Lettern auf ihrem Plakat.
Der SPD Landtagsabgeordnete Julian Barlen ist Mitbegründer der Internetplattform „Endstation Rechts“, einer Plattform, die tagesaktuelle Nachrichten über Rechtsextremismus in Deutschland veröffentlicht. Selbstkritisch merkt der Politiker an, dass es nichts bringe, trockene Materie zu vermitteln. Es sei eben nicht damit getan, dass man sich mit einem Flugblatt vor einen Laden von Thor Steinar stelle, um etwas gegen Rechtsextremismus zu erreichen. Aus der Suche nach der richtigen Ansprache heraus sei „Storch Heinar“, ein Spin-Off von „Endstation Rechts“ entstanden. Eine politische, ehrenamtlich geführte Satire-Plattform mit Onlinevertrieb, welche rechtem Gedankengut mit Humor entgegentritt.
Hans-Joachim Engster, der Vorsitzende des Präventionsrates der Hansestadt Rostock, stellt ein richtungsweisendes Projekt vor: Eine Studie des Soziologen Prof. Dr. Nieke aus Rostock zum Thema Gewaltprävention im Umfeld vom F.C. Hansa Rostock. Über einen Zeitraum von mindestens 10 Jahren habe diese Studie den Präventionsrat intensiv berührt. Die Untersuchung der Frage: „Wen erreicht man eigentlich überhaupt mit Prävention?“ habe deutlich gemacht: Mit Prävention erreiche man kaum jemanden über 17. So war es klar, dass der Sport insbesondere für junge Erwachsene ganz wichtig sei, wenn man etwas bewegen will.
Genau diese Altersgruppe ist auch an diesem Abend vor Ort: Die Schülerband der Don Bosco Schule begleitet die Veranstaltung musikalisch und sorgt für stimmungsvolle Momente.
Rogan Liebmann, Leiter der Kriminalpolizeiinspektion Rostock, liefert eine Analyse der Entwicklung der sogenannten „Neuen Rechten“. Liebmann erinnert dabei auch an die Ermordung des türkischstämmigen Mehmet Turgut. 2004 wurde er in der Hansestadt erschossen. „Erst Jahre später stellte sich heraus, dass die rechtsextreme Terrorgruppe NSU die Tat begangen hatte“, so Liebmann. Damit regt er in seiner Rede auch zum Nachdenken an und betont die Wichtigkeit, den Mitmenschen zu achten. „Wir sind alle Menschen, die gemeinsam hier leben“.
Senator Dr. Chris Müller konstatiert: „Der Anlass könnte auch nicht aktueller sein: Die Ausstellung bettet sich ein in die Internationalen Wochen gegen Rassismus“ Es sei angemessen, das Thema in dieser Zeit zu behandeln, weil im Zuge der Flüchtlingskrise eine Veränderung in unserer Bevölkerung stattgefunden habe. Meinungsvielfalt und Pluralität gehörten zu den höchsten Gütern in unserer Gesellschaft. Demokratie lebe vom Wettstreit der widerstreitenden Ideen und Ansichten. „Der Staat und auch wir als Kommune sind zur parteipolitischen Neutralität verpflichtet. Aber: Der Staat und auch wir können und dürfen nicht neutral sein denjenigen gegenüber, die Menschen diskriminieren.“ Daher seien alle staatlichen Ebenen aufgefordert, gegen Hass, Rassismus, Vorurteile, Antisemitismus und Gewalt tätig zu werden, so Müller.
Klare Worte, die sich einreihen in die Botschaft der VorBILDER.