Scheinfeld

25. September bis 22. Oktober 2015

Sparkasse
im Landkreis Neustadt a. d. Aisch-Bad Windsheim

Plakat der Ausstellung in Scheinfeld

In diesem Projekt sind schon viele engagierte Köpfe zusammen gekommen. Auch viele Bürgermeister sind uns begegnet. Doch der Ort, an dem die Ausstellung nun weilt, ist ein ganz besonderer. Knapp 4600 Einwohner zählt das Städtchen Scheinfeld. Nürnberg ist nur einen Katzensprung entfernt. Claus Seifert ist Scheinfelds Bürgermeister und er ist einer, der mit anpackt. Einer, der so richtig dazugehört. Am Tag der Ausstellungseröffnung der VorBILDER hilft er dabei, den Veranstaltungsort, die Scheinfelder Turnhalle, mit Stühlen zu bestücken, damit auch jeder Interessierte einen Platz findet.

Aber warum kommt die Ausstellung gerade hierher? In einen Ort, so klein, so fein. Im beschaulichen Mittelfranken scheint die Welt noch in Ordnung.
Oder etwa doch nicht? Für die Ausstellung VorBILDER in Scheinfeld gibt es einen ganz konkreten Anlass. Der Anlass ist die Vorgeschichte und diese beginnt im Oktober 2013. Scheinfeld wurde damals von einem Neonazirockkonzert überrumpelt. Der Vorfall ging durch die Medien: NPD Funktionäre hatten das Rockkonzert, als Geburtstagsparty getarnt, an den Behörden vorbei organisiert. Für die braune Szene: ein vermeintlicher Erfolg. Für die Scheinfelder: Schockstarre. Ein Albtraum. Klammheimlich war das Horrorszenario eingetreten. Unvermutet. Und plötzlich: unverblümt.
Mit dieser Aktion wurden die Scheinfelder regelrecht wachgerüttelt. Es gibt eine starke menschliche Verbundenheit innerhalb der Gemeinde. Diese ist zu spüren, wenn man vor Ort ist. Besonders, wenn man mit den Menschen spricht. Stefan Jordan ist einer dieser Menschen, die sich engagieren und die etwas verändern wollen. Auf ehrenamtlicher Basis hat er gemeinsam mit Anderen das Bündnis „Scheinfeld ist bunt“ gegründet. In null Komma nichts haben die Scheinfelder eine Kundgebung als direkte Reaktion auf die Beine gestellt. Und ein Blick auf die damaligen Fotos zeigt: eine bunte Sache. Kinder, Jugendliche und Erwachsene in allen Farben gekleidet mit bunten Luftballons zeigen ganz deutlich: Wir mischen uns ein, wir wollen keinen braunen Mob, Scheinfeld ist und bleibt bunt. Doch bei dieser einen Aktion blieb es nicht. Es mussten erneut Zeichen gegen rechts gesetzt werden, denn die NPD kündigte die Feier des NPD Bayerntages in derselben Diskothek in Scheinfeld an, in der zuvor das Rockkonzert stattgefunden hatte. Was folgte war eine Welle der Solidarität der Scheinfelder untereinander. Alle wollten ganz deutlich zeigen: Wir wollen eine friedliche und tolerante Gesellschaft. Organisiert wurden Ausstellungen, Kundgebungen, Mahnwachen, Friedensgebete. Die Scheinfelder haben es geschafft, ganz viele Menschen, Vereine und Initiativen auch aus der Region zu mobilisieren und zusammenzubringen, um vereint friedlich gegen Rechts Flagge zu zeigen. Mit Erfolg! Die Neonaziszene hat sich nicht in Scheinfeld etablieren können.

Auch Prof. Dr. Ulrike Hellert gehört zu dem Bündnis „Scheinfeld ist bunt“. Die Hochschullehrerin hat die Ausstellung VorBILDER in den Ort geholt. Sie ist es auch, die an diesem Tag die Podiumsdiskussion in der Turnhalle mit den geladenen Gästen moderiert. Dr. Ulrich Maly, Oberbürgermeister der Stadt Nürnberg, ist gekommen. Er war mit dabei, als im Jahre 2009 im Historischen Rathaussaal der Stadt Nürnberg die „Allianz gegen Rechtsextremismus in der Metropolregion Nürnberg“ gegründet wurde. Und er hat an der Ausstellung VorBILDER mitgewirkt – zusammen mit Javier Pinola. In gemütlicher Atmosphäre diskutieren er und die anderen Gäste: der ehemalige Fußballprofi Andreas Wolf, sowie Bürgermeister Claus Seifert, Fotografin Angelika Kohlmeier und Marie-Luise Würtenberger vom Bundesministerium des Innern. Ulrich Maly sagt zum Thema Integration, man müsse soziale Konkurrenzen vermeiden und Begegnungsmöglichkeiten schaffen, um Vorbehalte abzubauen. Claus Seifert stimmt ihm zu: „Wir vor Ort sind gefragt, auf die Neuankömmlinge zuzugehen.“
„Wo soll Integration stattfinden, wenn nicht in den kleinen Orten?“ wirft Frau Würtenberger in den Raum. Es sei ihr persönlicher Eindruck, dass es gerade dort gut gelinge, weil man sich kennen würde und weil es eine Basis gäbe, um die Integrationsarbeit zu leisten.
In Scheinfeld spielt der Sport eine wichtige Rolle bei der Integrationsarbeit. Für Andreas Wolf ist es wichtig, dass die Jugendlichen vor allem Spaß am Fußball haben. Es reicht aus, wenn man die gleichen Emotionen teilt, um miteinander auf Augenhöhe zu spielen.
Angelika Kohlmeier kann das nur bestätigen. Sie habe in ihrer Jugend selbst Leistungssport betrieben und habe die Erfahrung gemacht, dass eine Teambildung auch die Persönlichkeit und das Selbstvertrauen stärke. Somit habe der Sport natürlich auch integrative Kräfte.

Ulrich Maly wirft die Frage auf, wann Integration gelungen sei und beantwortet diese im selben Atemzug: „Die Frage ‚wann haben wir Integration geschafft?‘ beantworten Menschen mit Migrationshintergrund mit einer ganz komischen Antwort, die ich langsam beginne zu verstehen: ‚Wenn mich keiner mehr fragt, woher ich komme.‘ Ich sag dann immer: ‚Aber wenn‘s mich halt interessiert. Ich frag doch jeden anderen auch, woher er kommt.‘ Aber mittlerweile habe ich verstanden, dass die Frage an sich schon die Aussage trägt: ‚Ich frage dich das, weil du fremd bist. Nicht aus persönlichen Interesse an dir.‘“ Integration sei also gelungen, wenn keiner mehr irgendjemanden fragen müsse ‚woher kommst du‘.
Musikalisch wird die Veranstaltung von dem Sänger und Pianisten Warren Hardy und dem Trompetenspieler Marcus Marr untermalt. Die beiden sorgen für schöne, berührende Momente.
Es herrscht eine gute Stimmung, eine bunte Stimmung und es wird gelacht. Zum Beispiel, als Ulrich Maly sagt: „Wer das deutsche System der Mülltrennung versteht, ist integriert“. Und er demonstriert damit, wie wichtig es ist, auch mal zu reflektieren und nicht alles zu ernst zu nehmen.

Freude drückt auch das Foto auf einem Plakat aus, das zur Ausstellungseröffnung aufgehängt wurde: Im Vorfeld der Ausstellung hatte sich Claus Seifert gemeinsam mit dem kleinen Ahmed al Mujjaned, der mit seinen Eltern aus Syrien geflohen ist, von Angelika und Bernd Kohlmeier fotografieren lassen. „Fußball verbindet – die ganze Welt“ ist ihre gemeinsame Aussage. Fußball und Menschen, die auch außerhalb des Stadions offen aufeinander zugehen, die Begegnung zulassen und damit Fremdes vertraut machen, die Scheinfeld bunt machen und Rechtsaußen die rote Karte zeigen.